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Chronik

Die „Gemengemusik Munzen“ im Wandel der Zeit.

 

Die Tatsache, dass die Wurzeln der heutigen „Gemengemusik” im Jahre 1917 begründet liegen, mag aus heutiger Sicht erstaunen, war in der damaligen Zeit der Erste Weltkrieg noch nicht beendet und das Donnern der Kanonen jenseits der französischen Grenze noch in manchen Teilen Luxemburgs zu hören. Durch die deutsche Besatzung, welche die Neutralität des Landes flagrant verletzte, befand Luxemburg sich in einer prekären politischen Lage. Die Wirtschaft lag am Boden; Lebensmittel waren knapp und mussten zum Teil über die Schweiz bezogen werden.

Man möchte meinen, dass die Menschen unter diesen Umständen andere Sorgen gehabt haben müssten als das Musizieren. Dem schien nicht so gewesen zu sein, denn trotz der widrigen Umstände wurde damals die „Harmonie Munshausen” von einigen Musikbegeisterten des Dorfes aus der Taufe gehoben. Der neue Musikverein sollte fortan neben Gesang- und Theaterverein das kulturelle Dorfangebot ergänzen.

Dieser mutige Schritt darf wohl im Nachhinein dadurch verständlich werden, dass damals die Kriegsgreuel jenseits der Grenze den Leuten in den Dörfern weit weniger gegenwärtig waren als man heute annehmen möchte. Zudem sehnten sich die Menschen nach all den Entbehrungen nach einem positiveren Lebensgefühl. Von der Nachrichtenüberflutung der heutigen Zeit war man ausserdem weit entfernt, zudem Kontakte in der Nachbarschaft und darüber hinaus noch hauptsächlich „per pedes”, mit dem Fahrrad oder mit der Eisenbahn bewerkstelligt wurden. Radioempfänger dürfte es damals im noch bäuerlich geprägten Norden, wenn überhaupt, nur wenige gegeben haben.

 

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Wie dem auch sei: Nach seiner Gründung erwarb der angehende Musikverein seine ersten, wenn auch gebrauchten, Instrumente bei der „Differdinger Stadtmusik” und auch der erste Dirigent, ein pensionierter Miltärmusiker, kam aus dem Süden. Anstatt Geld, bezog er als Gegenleistung Lebensmittel, welche im „Minett” zu der Zeit knapper waren als im „Eisleck”. Eine Fahne gab es noch nicht und so wurde kurzerhand diejenige des Gesangvereins ausgeliehen.

 

Obschon die „Harmonie Munshausen” innerorts und auch ausserhalb mit beträchtlichem Erfolg bei festlichen Anlässen auftrat, schien sie dem damaligen Dorfpfarrer nicht so recht zu behagen. Bei einer Firmungsfeier schloss er den Musikverein kurzerhand aus. Der daraus entstandene Zwist zwischen beiden Parteien soll es sogar, laut Vereinschronik, zur allgemeinen Erheiterung bis in eine Luxemburger Wochenzeitung geschafft haben.

Herausragende Ereignisse gab es im Laufe der folgenden Jahre kaum, der Musikverein trug nach Kräften zu festlichen Anlässen und zum sozialen Dorfleben bei, jeder gab sein Bestes und mangelnde musikalische Kenntnisse wurden durch Einsatz und Begeisterung ersetzt. In der grossen Weltwirtschaftskrise der 30 er Jahre wurden Arbeit und Geld knapp und das Leistungsniveau litt dementsprechend. Die Beteiligung an der 100 jährigen Unabhängigkeitsfeier 1939 in Clervaux gelang nur unter grossen Anstrengungen.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden sämtliche Aktivitäten eingestellt. Sie sollten erst 1946, etwa ein Jahr also nach der für die Region fatalen Rundstedtoffensive, wieder aufgenommen werden. Der Verein musste sich neu aufstellen, neue Instrumente besorgen und neue Mitglieder gewinnen. Bei der Gelegenheit wurde der Name in „Fanfare Munshausen” umgetauft. Zum Musiksaal wurde die Schreinerei Pütz auserkoren, diese sollte Jahre später durch ein neues Musiklokal ersetzt werden, welches zum Teil in Eigenregie durch die Mitglieder instand gesetzt worden war.

1948 wurde auch im Nachbarort Marnach die „Fanfare Caecilia Marnach-Roder” aus der Taufe gehoben, laut Chronik soll diese schon nach recht kurzer Anlaufzeit ihre ersten öffentlichen Auftritte absolviert haben. In den Fünfzigern, nach dem Wiederaufbau, setzte im Norden des Landes jedoch die Landflucht ein. Da es kaum Arbeitsplätze in der Region gab, suchten immer mehr Jugendliche ihr Glück im Süden des Landes, insbesondere im „Minett”, wo die Stahlindustrie boomte und viele gutbezahlte Arbeitsplätze schaffte. Beide Vereine begannen unter dem Mitgliederschwund zu leiden und entschlossen sich gegenseitig auszuhelfen wenn Not am Mann war. Musikanten, die von ausserhalb anreisten um auszuhelfen, soll man sogar die Reisekosten erstattet haben.

 

In den 60 er Jahren traten Munshausen und Marnach teilweise zusammen auf. Nach der Trennung vom gemeinsamen Dirigenten gingen beide jedoch wieder ihre eigenen Wege. Ende der 60er entstand unter dem Impuls des damaligen Dirigenten Baumann eine Zusammenarbeit mit der Beforter Musik welche bis zur Trennung von Herrn Baumann einige Jahre währen sollte. Da Anfangs der 70 er  Marnach-Roder die Aktivitäten zeitweilig einstellte, bekam Munshausen die Verstärkung mehrerer Musikanten aus Marnach. Der daraus enstehende erneute Fusionsversuch wurde jedoch wegen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Dirigenten kurzerhand abgebrochen. Es sollte bis etwa 1977 dauern bis Marnach-Roder sich wieder neu aufstellte und seine Aktivitäten erneut aufnahm.

 

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Im Jahre 1996 unternahmen beide Vereine, unter dem Druck der immer grösser werdenden Rekrutierungsprobleme, einen erneuten Fusionsversuch. Diesmal sollte er von Erfolg gekrönt sein. In der Tat war das eigenständige Fortbestehen beider Musikgesellschaften immer schwieriger geworden. Daraus zogen die damaligen Verantwortlichen die einzig richtigen Lehren und beide Vereine fusionierten unter dem Namen „Gemengemusik”. Mit einem neuen Dirigenten, einem erneuerten Vorstand und dank der tatkräftigen Unterstützung seitens der Gemeindeverwaltung sollte das Unterfangen diesmal gelingen. Im Jahre 2016 konnte das 20 jährige erfolgreiche Bestehen des Fusionsvereins gefeiert werden.

Man kommt nicht umhin, im Rahmen dieser Chronik, die Clerfer Musikschule zu erwähnen. Mit ihrer Gründung 1986 wurde ein fehlendes Glied in dem Musikangebot der Region geschlossen und ein starker Partner gewonnen. Schon im frühesten Alter werden die Kinder hier von talentierten und engagierten Musikern betreut, an die Musik herangeführt und fürs Musizieren begeistert. Die daraus entstehende Dynamik hat sich längst auf die vielen Musikvereine der Region übertragen und sich positiv auf deren Qualität ausgewirkt.

Auch die „Gemengemusik Munzen” hat sich resolut der Jugendarbeit verschrieben und kann schon heute die ersten Früchte ernten. Unter all den heute der Jugend zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und angesichts der hohen Mobilität, wird man wohl nur so die jungen Leute weiter an ihren Dorfverein binden können.

2017 darf die „Gemengemusik“ somit mit Stolz auf eine bewegte 100 jährige Geschichte zurückblicken. Die Gründerväter würde es mit Genugtuung erfüllen, wenn sie feststellen dürften dass ihre mutige Initiative nicht nur ein Jahrhundert überdauert sondern sich auch prächtig weiterentwickelt hat. Ihnen gilt als Erste der Dank für ihre Courage und ihr Durchhaltevermögen. Gleichwohl muss auch all jenen Anerkennung gezollt werden, deren Begeisterung und Einsatz in all den Jahren es erlaubten dem Verein im Auf und Ab der letzten 100 Jahre einen Platz in der Gemeinschaft zu sichern, ihn auf Kurs zu halten und voranzubringen.

 

Zu diesem Jubiläum seien auch einige zusätzliche Gedanken erlaubt.

Es ist wohl eine Binsenweisheit zu behaupten, dass Regionen und somit auch ihre aktiven Vereine, stark von der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Florierende Betriebe bedeuten prosperierende Einwohnerzahlen, die ihrerseits wieder eben jene Regionen und Vereine mit Leben erfüllen. Jahrzehntelang gab es in dieser Hinsicht für den Kanton Clerf eher wenig Erbauliches zu vermelden.

 

Die Landflucht und das daraus resultierende Ausdünnen der Bevölkerung war jahrzehntelang eines seiner grössten Probleme. Viel zu lange von der Politik vergessen, scheint sich die Region jetzt wieder langsam zu erholen. In den letzten 20 Jahren hat sich schon so manches auf wirtschaftlichem, touristischem sowie kulturellem Gebiet zum Positiven entwickelt. Die sich weiter ansiedelnden Aktivitäten an der N7, das Kulturzentrum Cube 521 sowie das im Bau befindliche Clerfer Lyzeum, sind nur einige beredte Beispiele dafür. Auch mit der Eröffnung des letzten Abschnitts der Nordautobahn ist das Land wieder ein Stückchen kleiner und die Wege ein bisschen kürzer geworden. Der Bevölkerungsschwund hat sich längst umgedreht und die Einwohnerzahlen steigen wieder.

Diese erfreuliche Entwickelung verspricht eine neue Dynamik und man darf mit Fug und Recht optimistisch in die Zukunft blicken. Sich auf den Lorbeeren auszuruhen wäre allerdings der falsche Weg. „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel” soll ein bekannter Fussballtrainer gesagt haben. Weitere Anstrengungen werden vonnöten sein um die entstandene Dynamik weiter zu fördern.

Zum Schluss will ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die „Gemengemusik Munzen” ihren wertvollen Beitrag auch weiterhin zum kulturellen Leben in der Region leisten wird, für so manchen wird sie ein sozialer Mittelpunkt sein und für viele Musikbegeisterte die Bühne für eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen.

Auf weitere 100 Jahre !

 

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